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LUCIFER - Kapitel 11

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ronaldknoxtodie's avatar
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Kapitel 11

„Lucifer!“ Belial stürzte ins Zimmer seines besten Freundes, ohne jedoch jemanden anzutreffen. Verwundert sah er sich um, bis eine Stimme aus dem angrenzenden Badezimmer erklang.
„Ja?“
„Im Thronsaal wartet ein Engel, der dich unbedingt sprechen will.“ Belials Stimme klang ein wenig heiser vor Aufregung. Er hörte das Geräusch von nackten Füßen auf Fliesen, dann wurde die Türe geöffnet und Lucifer, lediglich mit einem Handtuch bekleidet, lugte heraus.
„Ein Engel?“, wiederholte er stirnrunzelnd. „Was will er? Kommt er im offiziellen Auftrag des Himmels?“
„Nein.“ Belial schüttelte den Kopf. „Er behauptet, der große Bruder des Engels zu sein, den du hier gefangen hältst. Im Himmel weiß wohl niemand, dass er hier ist.“
Lucifer überlegte einen Moment, dann nickte er knapp und verschwand wieder im Bad.
„Sag ihm, ich werde ihn in wenigen Minuten empfangen.“


Cadmiel wartete im Thronsaal, der ihm eigenartig schlicht für den Regierungssitz des höchsten aller Dämonen erschien. Nachdem Gabriel sich nach ihrem Gespräch nicht weiter mit dem Fall seines verschwundenen Bruders befasst hatte, war Cadmiel zu dem Schluss gekommen, sich selbst darum kümmern zu müssen. Er würde Theliel nicht länger als nötig den Qualen eines Gefangenen aussetzen.
Ohne die Erlaubnis der höheren Engel hatte Cadmiel sich in die Menschenwelt begeben, wo er nach stundenlangen Nachforschungen in den dunkelsten und verruchtesten Kneipen der Stadt schließlich einen Weg in die Hölle gefunden hatte. Es war gefährlich und verboten, aber er konnte seinen Bruder doch nicht einfach den Dämonen überlassen!
Nun zitterte er jedoch vor Angst und Nervosität, in wenigen Minuten auf den bekanntesten und gefährlichsten Engel und Dämon aller Zeiten zu treffen. Wenn es zu einer Auseinandersetzung käme, hätte Cadmiel nicht den Hauch einer Chance, das wusste er, weshalb er es gar nicht erst zu einer solchen würde kommen lassen.
Majestätisch betrat Lucifer den Saal. Er trug eine ungewöhnliche Kombination aus schwarzem Hemd und weißer Weste, aber sein Blick war so ernst und bedrohlich, dass Cadmiel sich nicht davon losreißen konnte. Regungslos verharrte er an Ort und Stelle, bis der Höllenkönig ihn erreicht hatte und abschätzig musterte.
„Ihr seid wegen Theliel gekommen“, sagte er ruhig, woraufhin Cadmiel hastig nickte. Seine Flügel zitterten verräterisch, was Lucifer mit großer Zufriedenheit zu bemerken schien.
„Theliel ist nicht in diese Auseinandersetzung involviert“, erklärte Cadmiel so ruhig wie möglich, ohne den Blickkontakt mit dem Dämon zu brechen. „Er wird niemals wieder auf der Erde oder in der direkten Konfrontation mit Dämonen agieren. Es bringt Euch keinerlei Nutzen, ihn zu töten, außer den Himmel noch weiter zu provozieren und die Waffenruhe zu brechen.“
Der Höllenkönig legte den Kopf schief und seine Augen verengten sich etwas, begleitet von einem dumpfen, rötlichen Glühen.
„Mit anderen Worten: Ich soll ihn freilassen und Euch übergeben, damit er in den Himmel zurückkehren kann.“
Cadmiel nickte langsam.
„Es würde nicht zu Eurem Schaden sein.“
Nun begann Lucifer zu lachen und fuchtelte aufgeregt mit den Armen durch die Luft. Aus seiner Stimme klang eine Mischung als Empörung und Amüsement.
„Was könntet Ihr mir schon bieten? Ihr seid lediglich ein Fürstentum, ein Engel der untersten Triade ohne den geringsten Einfluss auf den Himmel!“, höhnte er und wandte sich ab, um die Stufen emporzusteigen. „Ich dagegen bin der König der Hölle und mir allein obliegt die Sicherheit und Freiheit Eures Bruders. Und ich habe beschlossen, ihn zu behalten.“
Entsetzt riss Cadmiel die Augen auf.
„Das könnt Ihr doch nicht...!“
„Und ob ich das kann!“, knurrte der überdrehte Höllenkönig und drehte sich einmal um sich selbst. Jedes Wort, jede Geste verspottete Cadmiel, der sich dumm und naiv vorkam, ohne Vorbereitung in die Hölle zu Verhandlungen gekommen zu sein.
„Der Himmel schreibt Euch so viel vor, was Ihr angeblich nicht könnt“, sagte Lucifer mit einem schiefen Grinsen. „Hier in der Hölle ist das anders; wer nicht alles tut, was er kann, geht unter, wird im besten Fall getötet. Deshalb rate ich Euch, mich nicht zu unterschätzen. Ihr seid hergekommen, um etwas zu fordern, dass ich Euch nicht zu geben gedenke. Also gebraucht Eure Fantasie, um mich davon zu überzeugen, Euren Bruder freizulassen.“
Ärgerlich biss sich Cadmiel auf die Unterlippe und senkte den Kopf. Dieser widerliche Dämon spielte mit ihm, um ihn zu demütigen und seine eigene Überlegenheit zu demonstrieren.
„Der Erzengel Gabriel ist über Theliels Verschwinden informiert“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, den Blick weiterhin stur nach unten gerichtet. Er würde es diesem Perversen nicht auch noch gönnen, die Verzweiflung und Sorge in seinen Augen zu sehen.
„Gabriel!“, höhnte Lucifer. „Er würde sich nicht einmal trauen, mir gegenüberzutreten, weil er genau weiß, dass es sein Tod wäre! Eine Frau, die den Himmel in der Rüstung eines Kriegers täuscht, nicht mehr! Nein, der einzige Erzengel, den ich jemals habe fürchten müssen, ist tot, durch meine Hand gestorben!“
Cadmiel wechselte die Strategie. Anstatt sich von dem Höllenkönig demütigen zu lassen, würde er stattdessen ihn befragen.
„Was ist es, was Ihr für die Freiheit meines Bruders haben wollt?“ Er hob den Kopf und sah Lucifer, der ihn aus glühenden Augen beobachtete, direkt an. Ein Lächeln verzog die schmalen Lippen. Durch den Kontrast des schwarzen Hemds wirkte seine Haut selbst für einen Dämon unnatürlich blass.
„Es gibt nichts, was mich dazu bringen könnte, ihn freizulassen“, eröffnete Lucifer mit einem diabolischen Grinsen. „Eure Bemühungen waren von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Und jetzt verschwindet aus meinem Reich!“
Verzweiflung übermannte Cadmiel und er versuchte, den Dämonenkönig zu überreden, wurde jedoch stur zurückgewiesen. Schließlich rief Lucifer nach einem gefallenen Engel namens Azazel, der Cadmiel schließlich ziemlich unfreundlich vor die Tür setzte.


Lucifer schnaubte verächtlich. Dieser dumme, naive Engel! Hatte er wirklich geglaubt, einfach hier in die Hölle spazieren und im Alleingang seinen Bruder retten zu können? Brachte man den Engeln im Himmel denn keinen Respekt mehr bei? Mit diesem Kerl hatte er seine Zeit verschwendet.
Mit einem kurzen Blick zu Azazel, dessen versuchte Untaten ihm noch allzu deutlich präsent waren, verließt Lucifer den Thronsaal und begab sich in den ersten Stock direkt zu Theliels Zimmer. In den letzten zwei Tagen – seit ihrem Ausritt – verzichtete er darauf, die Türe abzuschließen, da Theliel seine Gefangenschaft nicht mehr als unangenehm empfand. Trotzdem wagte der junge Engel nicht, alleine durch den Palast zu wandern. Vernünftigerweise, denn Lucifer konnte nicht immer da sein, um Azazels Racheplänen Einhalt zu gebieten.
Er klopfte und wurde nach wenigen Sekunden hereingebeten. Theliel stand vor dem Bett und trocknete grade seine Haare mit einem Handtuch. Wassertropfen perlten auf seine Tunika oder liefen den schmalen Hals hinab, bis sie sich unter dem Stoff verloren. Lucifer verfolgte sie hungrig mit seinen Blicken. Wer konnte schon der Schönheit junger Engel widerstehen?
Theliel lächelte ihm entgegen. Seine Scheu vor Lucifer schien er endgültig abgelegt zu haben.
„Lucifer!“ Er neigte leicht den Kopf. „Weißt du, wo Belial ist? Ich wollte mich noch von ihm verabschieden, bevor er heute Abend abreist.“
Der Dämon schmunzelte. Belial und Theliel vertrugen sich bestens und wenn die beiden sich unterhielten, saß Lucifer selbst als stummer Zuhörer daneben und fragte sich, warum Belial jemals den Himmel verlassen hatte.
„Ich glaube, er ist auf dem Balkon vor meinem Zimmer“, antwortete er mit einem kleinen Lächeln.
„Du hast einen Balkon vor deinem Zimmer?“, wiederholte Theliel mit beinahe kindlichem Staunen, als Lucifer ihn durch die Gänge in den Ostflügel, in dem sein Zimmer lag, führte. Eigentlich war es als reines Schlafzimmer gedacht gewesen, doch da Lucifer so selten schlief, dass es kaum erwähnenswert gewesen wäre, nutzte er es hauptsächlich als Arbeitszimmer. Die Nachtstunden, wenn es im Palast still wurde, nutzte er meistens, um seine Korrespondenz zu erledigen, sodass sie am Morgen direkt von Boten ausgetragen werden konnten. Die elektronischen Errungenschaften der Sterblichen in der Menschenwelt waren in ihrer Funktion in der Hölle stark begrenzt. So war es zwar vor kurzem gelungen, Festnetztelefone samt entsprechender Leitungen zu installieren, doch aufgrund mangelnder Satelliten war die Nutzung von Internet oder ähnlichem ausgeschlossen.
Niemand wusste, wie oder wann die Hölle entstanden war. Gott und der Tod schlossen damals, vor Anbeginn der Zeit, ein Abkommen, das Gott zum Herrscher über das Leben machte. Sein Gefolge waren die Engel – die ersten unter ihnen wurden als Engel aus der Zeit des Anbeginns, zu denen auch Lucifer zählte, bezeichnet – die über die sterblichen Menschen in ihrer beschaulichen Welt wachen sollten.
In der Zeit kurz nach seiner Krönung zum König der Hölle hatte Lucifer sich sehr intensiv mit der Entstehung der Hölle beschäftigt, ohne jedoch verlässliche Quellen finden zu können. Satan, der vor ihm Herrscher der Unterwelt gewesen war, hatte sämtliche Schriften über die Zeitalter vor ihm vernichten lassen. Dämonen, die sich an diese Zeit erinnerten, hatte er bisher auch nicht antreffen können.
Es war nicht einmal sicher, dass sich die Hölle tatsächlich unterhalb der Menschenwelt befand, da sie in einer anderen Art von Dimension existierte, so Lucifers Theorie. Es bestand sogar die Möglichkeit, dass die Hölle früher einmal ein Teil des Himmels gewesen war. Oder umgekehrt, da die Hölle flächenmäßig deutlich größer war als der Himmel, in dem ständig Platzmangel herrschte.
Im Gegensatz zum Himmel, der über eine große Hauptstadt und je eine kleinere Stadt in jeder Himmelsrichtung verfügte, war die Hölle weniger dicht besiedelt. Größere und kleinere Anwesen einzelner Dämonenfamilien waren über das gesamte Gebiet verteilt, nur in westlichen Gegenden hatten sich Slums der ärmeren, weniger mächtigeren Dämonen gebildet.
Um die Menschenwelt hatte allerdings seit jeher ein erbitterter Kampf geherrscht. Die Dämonen benötigten Menschenseelen zum Überleben, während es wiederum die Aufgabe der Engel war, besagte Seelen vor dem Einfluss und Zugriff der Dämonen zu schützen. Dieser ewige Konflikt hatte über die Jahrtausende Hunderttausende von Leben gekostet, doch eine friedliche Lösung für beide Seiten war nicht in Sicht.
Lucifer brachte Theliel zu Belial, der grade dabei war, sich eine Zigarette zu drehen, den Blick hinunter auf den Innenhof gerichtet. Das Eintreten der beiden ließ ihn aufsehen und ein freundliches Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus.
„Ist alles in Ordnung?“
Bereits wenige Minuten später hatten sich Belial und Theliel in einem angeregten Gespräch über den Himmel verloren, während Lucifer einfach die Gedanken schweifen ließ. Belial durfte als Herrscher des Südens sein Anwesen nicht so lange verlassen, obwohl der Süden als relativ friedlich zu bezeichnen war. Seit einigen Jahrzehnten galt er als Heimat der High Society der Hölle.
Eine leichte Wehmut, seinen besten Freund gehen lassen zu müssen, überkam Lucifer bei Belials Abreise, gemischt mit dem undeutlichen Gefühl drohender Gefahr.
katharina-kopplow.jimdo.com/l-…

English:
The young angel Theliel is kidnapped by demons and was brought to hell to be a special "present" for the King of Hell - the Fallen Angel Lucifer. Theliel is horrified until he learns to ignore the cliches and to see more than an evil man in Lucifer. What Theliel doesn´t know: Lucifer still wants to destroy Heaven... (malexmale)


German:
Der junge Engel Theliel gerät versehentlich in den bereits Jahrtausende andauernden Konflikt von Engel und Dämonen - und wird kurzerhand in die Hölle entführt, wo er dem Höllenkönig und gefallenen Engel Lucifer als "Geschenk" dargeboten wird. Theliel ist entsetzt, bis er lernt, hinter die Fassade zu schauen, sich nicht von Gerüchten leiten zu lassen und mehr als nur das Böse in Lucifer zu sehen. Was Theliel nicht weiß: Lucifer hegt noch immer Pläne, den Himmel mit all seinen Engeln zu vernichten. (MalexMale)



Erstes Kapitel: LUCIFER - Kapitel 1

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Nächstes Kapitel: LUCIFER - Kapitel 12
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Comments3
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AngelOfDarkness089's avatar
Hi sorry das ich erst heute schreibe, aber ich hatte die letzten Tage kein Internet zur verfügung^^.
Wieder ein sehr gelungenes Kapitel und ich finds toll, dass wir auch mehr über die Hölle und den Himmel lernen können,
wie alles entstanden ist, warum es entstanden ist und wie alles dort funktiniert. Ich find es zwar gemein, dass Theliel in der
Hölle festgehalten wird, aber andersrum find ich es auch wieder gut, dass er sich dort mit dem ein oder anderen anfreunden kann,
wie in diesem Fall Belial. Auch dass er Lucifer gegenüber nicht mehr so schüchtern ist finde ich auch sehr gut, aber man hat immer
noch im Hintergedanken, dass der König der Hölle mit ziemlicher Sicherheit nichts Gutest plant. Es wird schon einen Grund geben, weshalb
er den kleinen Engel nicht gehen lassen will. Auch finde ich Cadmiels Mut herausragend, sich einfach so in die Hölle zu begeben und versuchen
seinen Bruder zu retten. War ja klar, dass Lucifer ihn nicht einfach so gehen lassen wird.

Bin mal gespannt, wie das Ganze weitergehen wird. Ich finde die Geschichte wirklich toll :D
Bist du eigentlich auf Fanfiktion.de? Den Usern dort würde diese Geschichte bestimmt gefallen, da kannst du auch freie Arbeiten einstellen ;)

Liebe Grüße :D